Montag, 3. Dezember 2012

Morgen Kinder vs. Mittag Kinder


Es ist ein Phänomen:

Jeden Morgen liefere ich zwei adrette, saubere, wohlig warm gekleidete Kinder vor der Schule ab.

Mütze und Schal oft passend zu einander. Die sauberen Gesichter eingecremt, Haare gekämmt und die langen Haare geflochten zu einem hübschen Zopf, die sauberen Hosen bilden einen gleichlangen parallelen Abschluss über den zugebundenen sauberen Schuhen, Unterhemd in Hose, T-Shirt in Hose, Jacke über Hose!

Lächelnd steigen sie aus dem Auto, holen ihre ebenfalls aufgeräumten Ranzen aus dem Auto...lächeln ihrer alten Mutter zu, gehen drei Schritte ....winken noch mal...und schon trennen sich unsere Wege.

Ich weiß bis heute nicht WAS in der Schule passiert. Ob ein Orkan durch die Schule fegt, Erdbeben das Klassenzimmer erschüttern oder die Lehrer in Wahrheit ausgebildete Drill-Sergeants sind, die unseren Kinder nicht Mathematik und Deutsch beibringen, sondern Elitetruppen mit den Fachrichtungen Nahkampf, geräuschloses Töten, Überlebenstraining, Orts- und Häuserkampf sowie Tarnen in Wald und Natur ausbilden?

Es ist wirklich nicht zu fassen. Immer noch das Bild meiner adretten Kinder im Kopf, die Hand in Hand zu Vogelgesängen im Hintergrund zirpend und umflattert von duftigen bunten Schmetterlingen fröhlich in die Schule hüpfen, warte ich auf eben diese Kinder....

und dann kommen sie angestampft:

Einzeln - meist der Finn zuerst. Ohne Mütze und Schal, die Jacke im Idealfall über den Schultern (dann aber offen), meistens aber hinter sich her schleifend. Schuhe offen und ein Hosenbein hoch, ein Hosenbein runter. Dreckspuren ziehen sich durch das Gesicht und die Nase wurde das letzte Mal heute Morgen (unter mütterlicher Aufsicht) geputzt. Die Dreckspuren vom Gesicht ziehen weiter über die Hose, Jacke und Schuhe.

Der Pullover ist vom Dreck verschont geblieben, dafür sind dort Spuren vom Frühstück zu sehen - allerdings nicht vom liebevoll zubereiteten gesunden mütterlichen Frühstück, sondern irgendwelches getauschtes Essen. Das war bei mir schon so - das Brot vom Nachbarn war eigentlich immer viel besser als das eigene langweilige gesunde Vollkornbrot.

Bestenfalls werde ich mit einem freundlichen HALLO begrüßt und erhalte einen Bericht, wer wieder total doof war, wer einen Anraunzer bekommen hat und wer wen wann wie und warum geärgert hat. Über das Erlernte, eventuelle anstehende Tests oder andere wichtige Informationen werde ich dann beim ersten Atemholen am Mittagstisch informiert.

Zwischendrin kommt auch noch die Trümmerlotte ans Auto. Amai!!!! Total zerzaust, grundsätzlich ohne Jacke und auch ohne (falls vorhanden) Pullover. Natürlich auch dreckig bis zum Anschlag und die netten Zöpfe hängen schlaff runter, wenn es überhaupt noch Zöpfe sind. Mütze, Schal und Handschuhe liegen entweder auf dem Pausenhof oder pitschnass im Ranzen zwischen einem Elternbrief und dem Mathetest.

Amai ist mittags erstmal ruhig (Nahkampftraining ist sehr sehr anstrengend) und überlässt ihrem Bruder das erste (-1000) Wort. Da ist sie eine feste Größe in meinem Tagesplan.

Wenn allerdings der Tag für Finn schlecht war - ist der restliche Tag für mich auch eher ....anstrengend. Dann kommt ein ausgesprochen schlechtgelaunter kleiner Junge ans Auto gestampft, der Kofferraum wird aufgerissen und seine Schwester wird erstmal pauschal angeschnauzt. Sind die Ranzen im Auto, kriegt irgendein (gestern noch bester) Kumpel, der zufällig gerade an unserem Auto vorbei gehen muss, noch sein Wort zum Sonntag, mit dem Versprechen, nie wieder auch überhaupt nur ansatzweise zu Finns Geburtstag eingeladen zu werden. Dieser Junge weiß meist gar nicht, was und warum ihm diese Ansage gerade widerfahren ist und geht einfach weiter......

Dann wird seine Schwester angeschnauzt, weil sie einfach falsch geatmet hat in dem Moment oder einfach nur blöde geguckt hat.

Das ist dann das erste Mal, wo ich überlege auch zu schnauzen oder der Amai nur einen beruhigenden Blick zu zuwerfen.

(Kommt auf meine Tagesform an).

Im Auto fließen dann erstmal Tränen und zu dem Dreck im Gesicht kommt auch noch Rotz und Tränen und unter empörten Schimpfen erfahre ich dann was dramatisches passiert ist. Ich will jetzt nicht aus dem Nähkästchen plaudern - aber es sind wahrlich Dramen die sich da so abspielen.Vielleicht ist das ja auch eine verschlüsselte Geschichte und in Wahrheit musste er irgendwelche Spione jagen oder Gefangene aus dem Kongo retten....und ich plaudere das aus und bringe damit einen Menschen in Gefahr....

Meistens kann ein Mittagsessen, neue Lebenskraft und -freude in meine Kinder bringen, aber manchmal zieht sich so ein Tag bis zum Bett gehen durch und selbst DAS ist dann nicht einfach. Dann ist die Geschichte blöd oder der Schlafanzug oder das Bett ist unbequem....aber schlussendlich...irgendwann schlafen auch Elitekämpfer ein und nach so einem Tag...KANN der nächste Tag nur besser werden.....


1 Kommentar:

  1. Und dieses Kind auf dem Foto soll der oben beschriebene manchmal etwas schmutzige, zornige Junge sein? Da mußt Du Dich täuschen.
    OOC

    AntwortenLöschen